Wenn Atmen zur Aufgabe wird: Familie meistert Alltag mit zwei schwerbehinderten Söhnen

Kassel. Die erste Hälfte seines jungen Lebens hat Michael viel Zeit im Krankenhaus verbringen müssen. Bereits sechs Wochen nach seiner Geburt hatte er seinen ersten epileptischen Krampfanfall. „Wir dachten, er hätte Bauchschmerzen und sind mit ihm ins Krankenhaus gefahren“, erzählt Mama Martina Alband 13 Jahre später von dem Tag, der ihr Leben veränderte.

Erst als Michael fast vier Jahre alt war, gab es schließlich die eindeutige Diagnose: Er hat einen seltenen Gendefekt, der Epilepsie und allgemeine Entwicklungsstörungen verursacht. Während Gleichaltrige langsam in die Pubertät kommen, Sport treiben und mit Freunden ins Kino gehen, sitzt Michael heute mit 13 Jahren im Rollstuhl. „Er bekommt alles mit und reagiert auf seine Weise“, erzählt Alband. Seine Muskeln sind jedoch zu schwach um ihn aufrecht zu halten, er kann nicht sprechen und benötigt Atemunterstützung per Maske. Ein Monitor überwacht rund um die Uhr seine Atmung und seinen Herzschlag. Als wäre die Familie nicht schon genug gebeutelt, kommt auch Albands zweiter Sohn Stephan schwer krank zur Welt. Er hat den selben seltenen Gendefekt wie sein Bruder Michael und wird wie er sein Leben lang auf die Hilfe von Fachpflegekräften angewiesen sein. „Mittlerweile sind wir gut eingespielt, aber das Leben stellt uns doch täglich hart auf die Probe“, sagt die Mutter von insgesamt drei Kindern. Die Diagnose ihrer beiden Ältesten bedeutet für Alband eine Zerreißprobe zwischen Behörden und Krankenhäusern. Der Kampf um Pflegeausrüstung bestimmt ihren ohnehin psychisch wie körperlich beschwerlichen Alltag. Dennoch ist die junge Mutter stolz, ihre beiden Söhne von Anfang an Zuhause großgezogen zu haben. „Sie abzugeben kam für mich nie in Frage, das würde ich nicht verkraften“, sagt sie und möchte daran auch in Zukunft möglichst nichts ändern.

Möglich ist ihr das Leben mit ihren Jungs im heimischen Hofgeismar jedoch nur dank der Hilfe von Fachpflegekräften des Kasseler Pflegedienstes AscleonCare, die Familie Alband rund um die Uhr zur Seite stehen. Pflegerin Jutta Widmer begleitet die Albands seit mittlerweile elf Jahren und gehört schon fast zur Familie. Aber was passiert, wenn Martina Alband mal krank ist? Oder einfach mal ein paar Tage Verschnaufpause, eine kleine Auszeit vom nervenzehrenden Alltag braucht? Seit Jahren hat sie das Angebot der sogenannten Kurzzeitpflege nicht mehr in Anspruch genommen und die Kinder mal für ein paar Tage in eine stationäre Pflegeunterkunft gegeben. Auch, weil es mit einem zu großen Aufwand verbunden wäre. Jedes Mal hätte sie die Jungs samt Rollstühlen, Medikamenten und Hilfsmitteln in eine Einrichtung nach Düsseldorf bringen müssen. „Wir haben das schon mal gemacht – nach der Reise war alle Erholung aber schnell wieder dahin“, erzählt Alband. Ein neues Angebot in Kassel soll das nun ändern.

Ein Stück Leben - Pflegegruppen für dauerbeatmete Kinder eröffnet am 1. April

Das Schicksal von Familie Alband ist selten, aber kein Einzelfall. Viele Eltern von schwerbehinderter, intensivpflegebedürftiger Kinder stehen im Alltag vor denselben Problemen mit Bürokratie und unzureichendem Fachpflegeangebot in ihrer Nähe. Der Pflegedienst AscleonCare möchte mit der Eröffnung von zwei Wohngruppen für intensivpflegebedürftige, dauerbeatmete Kinder Familien wie den Albands das Leben ein Stück erleichtern.

Ab dem 1. April wird es im Kasseler Versorgungszentrum des Pflegedienstes in der Niedervellmarer Straße insgesamt zwölf Plätze für Kinder von null bis 18 Jahren geben. Zehn dieser Plätze sind für Kinder vorgesehen, die dauerhaft in der Pflegeeinrichtung wohnen und versorgt werden. Zwei Plätze sind für die Kurzzeitpflege vorgesehen. Alle Plätze sind bereits belegt. Michael und Stephan Alband werden die beiden Kurzzeitplätze belegen, sodass Transporte ins weit entfernte Düsseldorf bald der Vergangenheit angehören. „Natürlich gebe ich meine Jungs nicht gern her. Aber zu wissen, dass ich ganz in der Nähe Hilfe bekomme, ist eine große Erleichterung für meine Familie“, strahlt Martina Alband. Auch weiß sie ihre Söhne bei AscleonCare in guten Händen, wenn sie sie einmal abgeben muss. Michael und Stephans behandelnde Ärzte und auch Lieblingspflegerin Jutta Widmer sind nun immer in der Nähe. „Das ist auch für die Jungs ganz wichtig, sie brauchen ihre Konstanten“, sagt die 34-Jährige Mutter. Abgesehen von den beiden Kindergruppen eröffnet in dem Zentrum auch ein Apartment, in dem dauerbeatmete junge Erwachsene gemeinsam leben und gepflegt werden können. „Wir wollen so die lückenlose Versorgung auch für über 18-Jährige ermöglichen. Die ist aufgrund der schlechten Personalsituation in der Pflege an nur sehr wenigen Standorten in Deutschland möglich“, erklärt Pflegedirektorin Martina Kraft. Auch AscleonCare suche dringend noch examinierte Pflegefachkräfte. „Das neue Angebot wird uns viele Sorgen nehmen und es uns endlich möglich machen, wieder zu leben, statt nur zu funktionieren“, blickt Martina Alband in die Zukunft.

Quelle: lokalo24.de, Autor: Antonia Paul

 

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